Archive for January 2011
(Gründer-) Kultur beeinflusst Unternehmertum
Deutschland ist kein Gründerland. Zu diesem Ergebnis kam die “Global Entrepreneurship Monitor” (GEM) Studie der Leibniz-Universität Hannover als sie in einer repräsentativen Stichprobe Personenbefragungen, Experteninterviews und Ländervergleiche auswertete. Danach liegt Deutschland auf Rang 15 von 20 untersuchten Ländern. Nur 4,1 Prozent der 18- bis 64 Jährigen hatte 2009 versucht, ein Unternehmen zu gründen oder das in den vergangenen dreieinhalb Jahren getan. Das ist deutlich weniger als in der Schweiz oder auch in Großbritannien.
Interessant sind die Gründe, warum z.B. die USA so viel mehr erfolgreiche Unternehmensgründungen hervorzubringen scheinen, während Deutschland und andere Länder Europas ihnen hinterher hinken.
Die zahlreichen Unterschiede liegen vor allem im Wertesystem der Gesellschaft begründet. Eines der größten Hindernisse für das deutsche Unternehmertum ist das Stigma des Scheiterns, das ihm immer noch anhaftet. Das Scheitern bzw. die Angst davor ist für die Hälfte der deutschen Befragten ein Grund, die Finger von der Selbständigkeit zu lassen. In Deutschland ist der geschäftliche Misserfolg eines Jungunternehmens oftmals mit einem ähnlichen Stigma behaftet wie ein Privatkonkurs. In den USA hingegen wird es zwar als unglückliche, aber im Endeffekt lehrreiche Erfahrung betrachtet. Da verwundert es nicht, dass sich hierzulande eher aus wirtschaftlicher Not, als aus Berufung für die Gründung eines Unternehmens entschieden wird. Darüber hinaus wird – anders als in Deutschland – beispielsweise in den USA der Unternehmerstatus als eine erstrebenswerte berufliche Tätigkeit betrachtet.
Wer nun meint, die Lösung liege darin, die amerikanischen Werte und Verhaltensmuster zu kopieren und damit das Wertesystem des eigenen Landes in eine unternehmerfreundlichere Richtung zu verschieben, der sei gewarnt: Eine schlechte Kopie führt häufig zu einem schlimmeren Ergebnis als das ohnehin schon schlechte Original! Es sei hier nur an die europäischen Banken und Immobilienspekulanten erinnert, die versucht haben, aggressive amerikanische Geschäftsmethoden zu kopieren, ohne sie offenbar wirklich zu verstehen.
Ein weiterer Schlüssel für die geringen Unternehmensgründungen liegt nach Expertenmeinung in der fehlenden Gründerkultur. „Deutschland bringt zu wenige junge Unternehmen mit einer echten Wachstumsstory hervor, die es bis in die internationale Top-Liga schaffen”, sagt Hendrik Hollweg, Mitglied der Geschäftsführung von Ernst & Young Deutschland. Top-Ingenieure in Deutschland gehen aus diesem Grund eher zu etablierten Großkonzernen, als selbst ein Unternehmen zu gründen. Erfolgreiche Vorbilder können deshalb dabei helfen, die Scheu vor dem Unternehmertum abzubauen.
Lösungen können jedoch darin liegen, erfolgreiche Vorbilder noch viel mehr als bisher in das positive Licht der Öffentlichkeit zu rücken und über Unternehmer-Mentoringprogramme den Weg für Startups in eine erfolgreiche Zukunft zu ebnen.
Blick über den Tellerrand
Was haben ein indischer Mythologe und Vorstandsvorsitzender und ein amerikanischer Musiker und Unternehmer gemeinsam? Beide halten einen Vortrag über die kulturellen Unterschiede und kommen dabei zu derselben Aussage.
Devdutt Pattabaik kennt sich sowohl in der indischen als auch in der westlichen Denkweise, Religion und deren Kulturkonzepten aus. In seinem Videovortrag erklärt er die kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West anhand mythologischer Geschichten und Figuren beider Welten. So begegnet Alexander der Große in einer seiner Erzählungen einem indischen Asketen. Beide wundern sich über das, was der andere gerade tut. Der Gymnosophist versteht in seiner Lebenswelt nicht, warum Alexander die Welt beherrschen will und umgekehrt kann der Eroberer nichts mit jemand anfangen, der das Nichts erfahren will.
Dabei zeigt diese Metapher, wie sehr die westliche Denkweise von dem Streben nach Ehre und Ruhm erfüllt ist. Im Diesseits muss der Held Heroisches vollbringen, während in der im Buddhismus nichts ewig ist. Das Leben ist vielmehr eine unendliche Aneinanderreihung von mehreren Leben und der Reinkarnation bis zum „höchsten Glück“, dem Heilsziel. Diese zwei Seiten über die Betrachtung des Lebens sollen zeigen, dass so fundamentale Ideen wie Glaube, Schicksal und Tod nur menschliche Konstruktionen sind, die kulturell manifestiert wurden. Sie werden demnach nicht von allen Kulturen gleichermaßen geteilt oder verstanden. „Abhängig vom Kontext werden Grundsätze gewählt. Diese wiederum sind Konstruktionen, kulturelle Schöpfungen und keine natürlichen Phänomene“, beschreibt Devdutt Pattabaik seine Erkenntnisse.
In seinem kurzen Vortrag rund um die Welt betrachtet Derek Sivers die unterschiedlichen Kulturen aus westlicher Sicht. Alle Erzählungen sind reale Erlebnisse über Dinge, die wir für selbstverständlich halten: Adressen, Straßenpläne, Arztrechnungen, Musik und Rhythmus. Doch nicht immer wird die Frage nach dem Weg erwartungsgemäß beantwortet. Überraschenderweise bringen gerade die alltäglichen Erlebnisse hervor, wie tief Menschen in ihrer eigenen kulturellen Konditionierung verankert sind und wie diese ihre Sichtweise auf die Welt beschränken. Die Grundaussage von Sivers Vortrag ist deshalb: Egal wie brillant eine Idee ist, eine andere könnte ebenso großartig sein.
Interessant wird es, wenn beide Vorträge und Interpreten miteinander verglichen werden: Devdutt Pattabaik redet über indische Mythen und wie sie mit der westlichen Kultur und der Businesswelt in Verbindung stehen. Er benutzt das Mandala als roten Faden, während Derek Sivers die Karte als Leitmotiv wählt. Beide kommen jedoch zu dem Schluss, dass die Welt von unterschiedlichen Winkeln aus betrachtet werden kann und es an jedem selbst liegt, die Unterschiede zu verstehen und zu berücksichtigen.
Das geschieht besonders dann, wenn das gewohnte Umfeld verlassen wird und man auf Dinge stößt, die unbekannt sind. Dies kann bei einem Auslandsaufenthalt, bei Verhandlungen mit dem neuen Geschäftspartner oder dem Ausprobieren von Essensgewohnheiten aus anderen Kulturkreisen passieren. Bei all dem hilft es, sich bewusst zu machen, dass es nicht nur den eigenen, sondern mehrere Standpunkte gibt und der Blick über den Tellerrand zu verblüffenden, neuen Erkenntnissen führt.