Archive for January 2013
Revolution in Pink
Seit 2006 lehren sie gewalttätigen Männern und korrupten Polizisten das Fürchten: Die Anhänger der Gulabi Gang (Rosa Gang), eine Truppe von furchtlosen indischen Frauen, welche die Verachtung und Gewalt gegenüber des weiblichen Geschlechts in ihrem Land verurteilen und bekämpfen. Die Farbwahl ihrer pinken Saris ist dabei nicht zufällig. Rosa steht für weiblich, zart, süß – für all das, wie eine Frau nach indischen Wertvorstellungen zu sein hat. Eine Geste voller Ironie. Denn süß, das sind sie bei weitem nicht. Ein weiterer, nicht unbedeutender Bestandteil prägt ihr Erscheinungsbild: ein langer Bambusstock, der traditionell von Polizisten gebraucht wird, um gegen Verbrecher vorzugehen. Ähnlich wird er auch von den pinken Ladies genutzt, nur dass dabei die Polizisten selbst ins Visier geraten. Diese tragen nämlich durch ihr weitestgehend korruptes Verhalten nicht gerade zur Verbesserung der Situation der Inderinnen bei. Als ein Land, das zu weiten Teilen durch ein striktes Kastensystem geprägt ist, in dem die Armen arm bleiben und die Reichen das Sagen haben, hält Indien nicht viel Positives bereit für jemanden, der als Frau geboren wird. Stammeshalter sind gefragt, Mädchen oft nichts wert, vor allem in den unteren Kasten. Entsprechend werden sie behandelt. Schändungen und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung. Die jüngsten Ereignisse in Neu-Dheli lassen nun Indien und die ganze Welt aufhorchen: eine 23-jährige Studentin wurde im Dezember von mehreren Männern brutal vergewaltigt und zusammengeschlagen. Nur einige Tage nach der Tat erlag sie ihren Verletzungen. Dieses grausame Verbrechen ist kein Einzelfall, nur kommt es auf Grund der Machtverhältnisse und Korruption in den meisten Fällen nicht zur Verfolgung und Anzeige der Täter. Genau hier setzt die Gulabi-Gang an. Schon lange verlassen sich die Frauen nicht mehr auf andere. Sie selbst sind nun am Zug. Sie drohen Vergewaltigern, stellen Forderungen an Staatshüter getreu dem Motto: wer nicht hören will, muss fühlen. Immer mehr Frauen schließen sich der Gruppe an, fassen Mut, sich gegen ihre gewalttätige Ehemänner und die diskriminierende indische Gesellschaft zu erheben. An die 20.000 Mitglieder sollen es bislang sein. Eine genaue Zahl ist jedoch nicht bekannt. So oder so, die Mädels bewegen was! Und wer weiß, vielleicht schaffen sie durch ihren Einsatz ja die Grundlage für ein neues, frauenfreundliches und gerechteres Indien.
Autorin: Janna Pressentin
Feliz ano novo!
2012 ist vorbei, „Mayageddon“ überstanden. Die meisten von uns haben sich ausgelassen feiernd und knallend verabschiedet und starten nun mit guten Vorsätzen, voller Motivation und Tatendrang ins neue Jahr. Jeder hat seine Art, den alljährlichen Neuanfang einzuläuten, doch hält man sich allgemein an bekannte Muster entsprechend der eigenen Kultur. Bei uns in Europa mag dies grundsätzlich ähnlich ausfallen, doch wie sieht es woanders aus?
Zum Beispiel in Brasilien – Land der Palmen, Strände und Papageien. Dem Latino-Völkchen eilt der Ruf voraus, die Weltbesten im Feiern von Festen zu sein. Und beruht dieses Vorurteil auch auf Stereotypen, so kann ich es aus eigener Erfahrung zu 100% bestätigen. Ein Jahr in einem der kulturell vielfältigsten Länder der Welt, der Mentalität seiner Bewohner voll und ganz ausgesetzt, kommt man nicht umhin, sich von ihrer Leichtigkeit und Lebensfreude anstecken zu lassen, sie in sich aufzusaugen und mitzunehmen.
Wie São João und Karneval ist auch Neujahr ein ganz besonderes und für sich einzigartiges Fest voll von Traditionen und Bräuchen und spielt sich zu großen Teilen am Wasser ab. Zwar besteht das Land bei Weitem nicht ausschließlich aus Strand und Meer, jedoch leben immerhin zwei Drittel der Bevölkerung nicht weiter als 100 Kilometer von der Küste entfernt und so liegt es durchaus nahe die Feiertage oder gar den ganzen Sommer dort zu verbringen. Ist Brasilien auch ein durch und durch christlich geprägtes Land, so gehört die Silvesternacht den afrikanischen Göttern – vor allem Yemanhá, Göttin des Meeres, Engel der Fischer, Maria der Liebenden. In dieser einen Nacht wird nur sie angebetet und mit Opfergaben überschüttet. Kurz vor Mitternacht machen sich die Menschen dorthin auf, wo das Meer den Strand berührt, legen ihre Gaben nieder, meist bestehend aus Blumen und Früchten; Kerzen werden entzündet. Die Farbe der Kleidung ist an diesem Tag von großer Bedeutung. Viele tragen weiß – die Farbe des Friedens. Ein rotes Gewand weist seinen Träger als liebe-suchend aus. Andere wünschen sich Geld, Freundschaft für das neue Jahr und kleiden sich in der entsprechenden Farbe.
Nachdem der Countdown eingeleitet und das neue Jahr mit lauten Jubelrufen willkommen geheißen wird, verschmelzen die Menschen mit dem Meer. Einige tauchen komplett hinein, andere (so wie ich damals) springen über sieben Wellen – pro Welle ein Wunsch. Danach wird gefeiert. Und zwar nach brasilianischem Standard: ausgelassen mit Samba, Forró und viel Cachaça.
Es mag noch so viele unterschiedliche Arten auf der Welt geben den letzten Abend im Jahr zu verbringen. Doch die große Mehrheit aller, egal welcher Hautfarbe, Nationalität oder Kultur, blickt dem Jahreswechsel voller Freude und gespannter Erwartungen entgegen. In diesem Moment sind wir uns alle ganz nah. Silvester verbindet und zeigt, dass wir so verschieden gar nicht sind. So wie die Menschen in Brasilien zählen auch wir in Deutschland gemeinsam die letzten Sekunden des Jahres, begrüßen es mit lauten Jubelrufen, fallen unseren Liebsten um den Hals und feiern ausgelassen all das, was uns das neue Jahr so bringen mag.
Autorin: Janna Pressentin