Archive for November 2013

Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

Gewalt gegen Frauen stellt eine weltweite Problematik dar, die mit extremen Menschenrechtsverletzungen einhergeht und sich in vielfältigen Formen ereignet. Vor allem häusliche Gewalt ist dabei ein kultur- und länderübergreifendes Problem; in neun von Zehn Fällen sind die Opfer weiblich. In Deutschland ist etwa jede vierte Frau Opfer von Gewalt im eigenen Zuhause. In Europa, Nordamerika und Australien hat jede zweite Frau mit Behinderung bereits einen Gewaltakt erlebt.

 

Am 25. November 1960 in der Dominikanischen Republik verschleppten Angehörige des Militärs unter dem damaligen Diktator Rafael Trujillo drei Frauen, vergewaltigen sie und ermorden sie nach monatelanger Folter. Seit 1999 ist der 25. November ein offiziell von den vereinten Nationen verabschiedeter Protesttag mit dem Ziel der allgemeinen Stärkung der Frauenrechte. Die einzelnen Formen der Gewalt sollen alle zur Sprache kommen und Programme unterstützt werden, die sich für eine Gleichstellung und die Beseitigung von Gewalt einsetzen. Aktionen weltweit sollen Aufmerksamkeit erregen und die Thematik dadurch auch auf die politische Agenda von Regierungen gesetzt werden.

 

Abwertende Behandlung, Sexismus, berufliche und lohnbezogene Benachteiligungen bei gleicher Arbeit sind vielerorts auch in Europa weiterhin bestehende Missstände. In vielen Teilen der Welt wird der Wert von Mädchen oder Frauen im Vergleich zu Jungen oder Männern geringer geschätzt, was ganz konkrete Benachteiligungen zur Folge hat. In China wird zum Beispiel durch die Ein-Kind-Politik und in Indien durch ein patriarchales Kastensystem die Geburt eines Sohnes bevorzugt. Dies führt in vielen Fällen dazu, dass Mädchen abgetrieben werden oder nach der Geburt getötet werden. Kann nicht jedem Kind aus Armut Schulbildung gewährt werden, haben in der Regel auch hier die Mädchen zurückzustehen und stattdessen schon früh unter widrigen Umständen bei schlechter Bezahlung zu arbeiten. 65% aller Analphabeten weltweit sind weiblich.

 

Junge Mädchen sehen sich zudem insbesondere in Teilen Afrikas, Südostasiens, Südamerikas sowie in Teilen der islamischen Welt zur Zwangsehe und erzwungenen sexuellen Beziehungen genötigt. Ehrenmorde sind eine weitere Form der Gewalt, die Frauen erleiden, wenn sie in bestimmten Teilen der Gesellschaft des Ehebruchs oder vorehelichen Geschlechtsverkehrs beschuldigt werden oder sich entgegen dem Willen der Familie einer Zwangsheirat entziehen. Sogenannte „Mitgiftmorde“ sind insbesondere in Südasien häufiger vorzufinden, wenn Familien nicht für die Mitgift ihrer Töchter aufkommen können. In vielen Regionen der Welt, in denen kriegerische Konflikte herrschen, sind Frauen vielfach die Hauptleidtragenden. Sexualisierte Gewalt ist hier häufig Kriegstaktik und dient der Demütigung des Gegners. So sind im Kongo bereits seit Ausbruch des Konflikts etwa 200.000 Frauen, in Ruanda während des Bürgerkriegs zwischen 250.000 und 500.000 Frauen sexuell misshandelt worden. Während des Krieges in Bosnien in den Neunziger Jahren sind etwa 20.000 – 50.000 Frauen vergewaltigt worden.

Einige Formen von Gewalt haben auch einen besonderen traditionellen Hintergrund, wie z.B. die Beschneidung von Frauen in bestimmten Teilen Afrikas und Asiens. Bei diesen Beschneidungen handelt es sich um schmerzhafte Eingriffe in den Genitalbereich, die körperliche und seelische Schäden verursachen. Etwa 140 Millionen Frauen sind gemäß Zahlen der UNICEF durch eine Beschneidung im Genitalbereich verstümmelt. Jährlich sind ca. 2 Millionen Mädchen von Beschneidungen bedroht.

 

Fehlende Anzeigen von Gewalttaten oder mangelnde Verfolgung als Straftat tragen zudem zu einer zusätzlichen Benachteiligung von Frauen bei, deren Menschenrechte hier schlechter geschützt sind. Wußten Sie, dass in Deutschland die Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 offiziell strafbar ist und auch dann nur auf Antrag verfolgt wurde? Erst seit 2004 gilt sie als Offizialdelikt, das auch ohne Anzeige von Amts wegen verfolgt werden kann. In vielen Ländern weltweit fehlen gänzlich Gesetze zum Schutz der Frauen.

 

Gewalt gegen Frauen manifestiert sich also in vielfältigen Formen. Auch die Bereiche sind weitreichend: vom Erbrecht, über Bildung, Eigentumsrechten, Lohngerechtigkeit bis hin zur Rechtsfähigkeit, Kreditwürdigkeit und dem Zugang zur Justiz. Sie ist vor allem nicht auf einige besondere Kulturen, religiöse Überzeugungen oder nur einige Gruppen von Frauen bezogen.

Am 25. November, dem internationalen Tag der Gewalt gegen Frauen, geht es darum, auf weltweite Problematiken aufmerksam zu machen und die Frauen dabei zu unterstützen, ihren ganz eigenen, auch kulturspezifischen Weg der Befreiung zu gehen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die saudiarabische „#women to drive“-Bewegung, die sich für das Recht auf Autofahren für Frauen einsetzt. (Lesen Sie hierzu auch unseren Blogartikel: „Intifada arabischer Frauen. Die Zeit steht niemals still: Nach dem ‚Arabischen Frühling’ nun der ‚Arabische Herbst’“.) Das Bild der Bewegung zeigt eine Frau mit traditioneller Kopfbedeckung am Steuer. Es geht im Kern um das Recht auf Selbstbestimmung, selbst zu entscheiden, was man möchte und wie man sein eigenes Leben gestalten will. Auch die Gulabi-Gang aus Nordindien hat gezeigt, wie mutig Frauen Ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen und für Ihre Selbstbestimmung gegen die Gewalt vorgehen, die sie zu alleingelassenen Opfern machen will. Im nördlichen Uttar Pradesh lehnen sich Frauen gemeinsam gegen gewalttätige Männer und korrupte Polizisten auf. Sie gehen gegen Machtverhältnisse und Korruption an, die Täter davonkommen lässt und Frauen grundlegende Menschenrechte verwehrt. Sie bringen Täter ins Visier der Öffentlichkeit und erregen weltweit Aufmerksamkeit, wodurch auch der politische Handlungsdruck auf die Gesellschaft erhöht wird. Die Zahl der Anhänger wächst beständig, sie soll schätzungsweis schon bei mindestens 150.000 liegen.

 

Über alle kulturellen Grenzen hinweg gilt, dass Gewalt gegen Frauen niemals akzeptabel oder tolerierbar ist, wie es auch schon UN Generalsekretärs Ban Ki-moon 2008 bei der Eröfnung einer weltweiten Kampagne gegen Gewalt an Frauen äußerte: “There is one universal truth, applicable to all countries, cultures, and communities: violence against women is never acceptable, never excusable, never tolerable.”

 

Blick über den Tellerrand: Diversity Management (DM) anderswo

In Australien wurde vor einigen Jahren mit folgender historischen Schilderung für DM geworben: Als Kapitän James Cook am 26.8.1768 den Hafen von Plymouth verließ, war er für 94 Mann Besatzung an Bord der ENDEAVOUR verantwortlich. Für die nächsten vier Jahre leitete er eine sehr vielfältige und multikulturelle Crew

  • 62 Engländer, 9 Schotten, 7 Iren, 5 Walliser, 3 Amerikaner, 2 Afrikaner, 2 Brasilianer, 1 Schwede, 1 Finne, 1 Italiener, 1 Tahitianer;
  • 8 Offiziere, 77 Seeleute, 9 Wissenschaftler/Zeichner;
  • mit sehr unterschiedlichen religiösen und politischen Überzeugungen.

Die Kernaussagen der Kampagne lauteten: (1) Wir sind ein klassisches Einwanderungsland. (2) Schon unser „Entdecker“ kam mit einer sehr vielfältigen Schiffsbesatzung an Land. (3) Kulturelle Diversität ist für Australien bis heute von besonderer Bedeutung und gilt als der zentrale Konkurrenzvorteil im internationalen Wettbewerb. DM wird dort häufig sehr ökonomisch interpretiert und mit dem Label „productive diversity“ versehen. So ging zum Beispiel das Catering von QUANTAS schon früher als bei anderen Fluggesellschaften auf religiös motivierte Essenswünsche der heterogenen Passagiere ein. AUSTRALIA POST ermittelte vor einigen Jahren, dass mehr als 30% der Beschäftigten in Sortier- und Verteilzentren einen Hochschulabschluss aus einem Drittland nachweisen konnten und begann diesen „Schatz“ systematisch zu heben.

Managing Diversity in den USA

Im Mutterland des Konzepts ist DM längst zu einer Institution geworden (ähnlich wie das Qualitätsmanagement). Kaum ein Großunternehmen kann es sich dort leisten, gänzlich auf Diversity-Initiativen zu verzichten. Von den derzeit 313 Mio. Amerikanern sind ca. 50 Mio. hispanics or latinos, ca. 39 Mio. black or african americans und ca. 15 Mio. asian americans. Die Marktmacht dieser großen Gruppen ist nicht zu unterschätzen und aus diesem Talentpool wollen viele Organisationen schöpfen. Also werden zum Beispiel Produktwerbe- und Rekrutierungskampagnen in spanischer Sprache aufgesetzt, um neue Kundengruppen zu erschließen und interessante Nachwuchskräfte zu gewinnen. An vielen großen Krankenhäusern gibt es inzwischen Dolmetscherdienste, nachdem sprachliche oder kulturelle Missverständnisse schon häufiger zu Todesfällen geführt haben. Gesetzlich geschützt sind andererseits auch zahlenmäßig kleine Diversity-Gruppen, wie zum Beispiel die native indians oder auch veterans, die in keinem Diversity-Bericht fehlen dürfen. Die Arbeitgeber fürchten Niederlagen in Anti-Diskriminierungsprozessen mit hohen Strafzahlungen und sehen im DM auch einen Nachweis für eigene Präventionsbemühungen.

Kanadische Vielfalt

Kanada ist stolz auf seine Einwanderungspolitik und den Multikulturalismus als ideologische Basis für eine gelebte Vielfalt. Es grenzt sich dabei gerne gegenüber dem „großen Bruder“ USA ab und hält an der Metapher des mosaic gegenüber dem US-amerikanischen melting pot fest. Was ist mit diesen Bildern gemeint? Die Einwanderer nach Kanada (heute vor allem Chinesen, Inder und Pakistani) können die Besonderheiten ihrer Herkunftsländer weiter pflegen und tragen mit ihrer Individualität zu einem bunten nationalen Gesamtbild bei. Im Schmelztiegel USA hingegen gibt man seine ursprüngliche Identität auf und wird durch Assimilation zu einem guten Amerikaner. Die in Kanada besonders geschützten Angehörigen ethnischer Gruppen werden unter dem Begriff visible minorities erfasst. Es ist faszinierend zu beobachten, wie viele Hochschuldozierende zu diesen Gruppen gehören. Kanadische Universitäten haben ein strategisches Interesse daran, sehr gute Forschungskontakte nach Asien, Lateinamerika und Europa zu unterhalten. Daher werden gezielt Personen angeworben, die sich auf den dortigen Märkten auskennen sowie Kontakte zu Wissenschaftlern und Unternehmen im jeweiligen Land herstellen können. Die Chancengleichheit im gesamten Bildungsbereich ist ein wichtiger Aspekt des Diversity Managements in Kanada. Kinder von Einwanderern haben im Land der sehr guten PISA-Ergebnisse alle Möglichkeiten, ihre Bildungskarriere mit einem Hochschulabschluss zu beenden.

Das Erbe der Apartheid

Geht es in vielen Ländern weltweit darum, ethnische Minderheiten besonders zu schützen, so ist die Ausgangssituation in Südafrika eine andere: Dort wurden über Jahrzehnte ca. 80% der Bevölkerung gezielt diskriminiert. DM wird am Kap der guten Hoffnung auch dazu eingesetzt, das Unrecht der Vergangenheit langsam wieder auszugleichen (zum Beispiel durch Quotenregelungen). Bei SIEMENS Südafrika sind über 50% der supervisory-Stellen mit Personen aus den diskriminierten Gruppen besetzt und ca. 70% der Neueinstellungen kommen aus diesem Pool. Das größte Bauunternehmen MURRAY & ROBERTS vergibt diverse Stipendien für schwarze und weibliche Nachwuchskräfte. Die Bank INVESTEC unterstützt mit ihrem Entrepreneurwissen gezielt Existenzgründungen von Schwarzen. Insgesamt gilt es für die Diversity-Initiativen, einige nationale Besonderheiten zu beachten: so gibt es 11 offizielle Landessprachen, sind ca. 10% der Bevölkerung HIV positiv und es leben ca. 3 Millionen illegale Einwanderer in Südafrika.

Zur Situation in Europa

Fragt man ERASMUS-Studierende an deutschen Hochschulen, ob sie in ihren Heimatländern schon mit DM konfrontiert wurden, dann antworten die Briten, Niederländer und Dänen häufig: „Ja, das steht bei uns in den Lehrbüchern“. Während zum Beispiel die Iren und Finnen von dem Konzept noch wenig gehört haben. Auch deutsche Studierende sind mit der Diversity-Idee in der Regel kaum vertraut, wenn sie ins Berufsleben einsteigen. Eine These zur Erklärung könnte lauten: Je homogener sich ein Land selbst wahrnimmt, desto schwächer ist der Druck, sich grundsätzlich mit personeller Vielfalt auseinander zu setzen. Es sind eher die niedrigen Arbeitslosenzahlen und der Fachkräftemangel, die in Ländern wie Österreich, Deutschland oder der Schweiz das DM vorantreiben. Dabei gibt es auch im deutschsprachigen Raum inzwischen sehr interessante Diversity-Initiativen: Besonders große Arbeitgeber (z.B. Daimler, Deutsche Bank, Henkel) wollen damit die besten Absolventen gewinnen und halten. In der Stadt Wien leben ca. 30% Menschen mit Migrationshintergrund und die Verwaltung hat es sich zum Ziel gesetzt, die Vielfalt der Kunden auch in der Zusammensetzung der Beschäftigten abzubilden. Kleinere Unternehmen gehen gezielt auf ihre Kunden ein und bieten Produkte und Dienstleistungen für ganz bestimmte Diversity-Gruppen an. Man denke an Handys für Senioren, Fitness-Center für Frauen oder kultursensible Pflegedienste.

Fazit

Insgesamt wird DM in weiten Teilen der Welt als interessantes Konzept zur Wahrnehmung, Anerkennung, Wertschätzung und Nutzung von personeller Vielfalt in Organisationen angesehen. Es vereint moralische, juristische und ökonomische Aspekte und kann als strategische Klammer genutzt werden, um bereits existierende Initiativen zusammen zu fassen. In jedem Land müssen nationale Besonderheiten berücksichtigt werden und es gibt eine große Vielfalt von DM-Systemen. Die Potenziale von DM sind in Deutschland bei weitem nicht ausgeschöpft. Das Konzept wird uns voraussichtlich noch über Jahre hinweg beschäftigen.

 

Erschienen in “Plattform Das Magazin für interkulturelle Wirtschaftskommunikation”.

 

Zum Autor:

Günther Vedder

Dr. Günther Vedder, Diplom-Kaufmann und Diplom-Soziologe, beschäftigt sich seit 2001 mit Diversity Management. In den Jahren 2004/2005 lernte er während eines Forschungsaufenthalts die Anwendung des Konzepts in Australien, Kanada und den USA kennen. Seit Oktober 2011 ist er am Institut für interdisziplinäre Arbeitswissenschaft der Leibniz Universität Hannover tätig und bietet dort regelmäßige Lehrveranstaltungen mit Diversity-Bezug im Weiterbildungsstudium Arbeitswissenschaft (WA) an. Sein besonderes Interesse gilt der Anwendung des Konzepts im internationalen Vergleich. Er hat in den letzten Jahren ca. 25 Fachartikel und Bücher zum Diversity Management publiziert.