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Schule, school, escuela, école, pài, шко́ла – So unterschiedlich lernt es sich weltweit
Anfang September – Erstklässler* in Deutschland werden eingeschult, für die Älteren heißt es auch wieder die Schulbank zu drücken. Das deutsche Schulsystem ist den meisten hier Lebenden vertraut. Doch wie ist es in anderen Ländern zur Schule zu gehen? Welche kulturellen Unterschiede oder auch Gemeinsamkeiten gibt es? Würden Menschen, die in Deutschland zur Schule gehen dort problemlos zurechtkommen oder wären sie verloren?
Als erstes gilt: zur Schule zu gehen, ist keine Selbstverständlichkeit. Weltweit gilt in 95% aller Länder die Schulpflicht, doch es gibt trotzdem noch Millionen von Kindern, die keine Möglichkeit haben, eine Schule zu besuchen (hier zum kürzlich veröffentlichten Bericht von Unicef, der die Zahlen nennt und Gründe beleuchtet). Ob der Schulbesuch etwas kostet, ist ganz unterschiedlich. Einige Länder Afrikas wie Uganda oder Kenia haben das Schulgeld für die Grundschule angeschafft. Dadurch haben nun mehr Kinder die Möglichkeit, zur Schule zu gehen und die Zahl der Schüler ist stark gestiegen. In China kostet der Schulbesuch erst ab der zehnten Klasse, in Japan und Thailand ist er kostenlos, genau wie in Deutschland, Österreich, England und den USA, um nur einige Beispiele zu nennen.
Das Schulsystem unterscheidet sich von Land zu Land. Alleine das Einschulalter variiert. Während zum Beispiel in Deutschland, Spanien, Frankreich, Belgien, Dänemark und Irland die Kinder mit sechs Jahren zur Schule kommen, beginnt für Kinder beispielsweise in Russland, Finnland, Estland und Litauen der „Ernst des Lebens“ erst mit sieben, in den Niederlanden, Kroatien, Lettland und Griechenland hingegen schon mit fünf Jahren. In Luxemburg und Nordirland beginnt die Schulpflicht sogar schon im Alter von vier Jahren. Anschließend gibt es Unterschiede dabei, wie lange die Schüler gemeinsam unterrichtet werden. In einigen Ländern bleiben sie über Jahre zusammen und entscheiden dann, ob sie z.B. Abitur machen möchten, in anderen Ländern, wie beispielsweise Deutschland, werden sie früher auf verschiedene Schulformen verteilt.
Interkulturell betrachtet, sind vor allem die Art des Unterrichts und die Frage, wie das Wissen vermittelt wird, interessant. Relevant ist hierfür unter anderem die Lehrerausbildung, die länderspezifisch unterschiedlichen Stellenwert besitzt. Einige Staaten wie unter anderem Südkorea, Singapur und Finnland wählen gezielt die besten Bewerber der Lehramtsstudenten aus und begrenzen die Anzahl, in der Hoffnung später bessere, kompetentere Lehrer zu haben. Von diesen Studenten werden nur die besten Absolventen als Grundschullehrer eingesetzt, damit vor allem die frühe Förderung der Kinder in guten Händen liegt. Daher genießt zum Beispiel in Südkorea der Grundschullehrer ein gutes Ansehen. Genauso wie in Griechenland oder der Türkei.
Abgesehen vom Lehrer, gibt es im Unterricht selbst natürlich auch einige Unterschiede. In Finnland beispielsweise gibt es häufig Einzelunterricht für Schüler, um diese gezielt zu fördern. Noten gibt es hier die ersten vier Schuljahre nicht, ab der fünften Klasse sind sie fakultativ und erst ab der siebten vorgeschrieben. So lässt es sich doch entspannt lernen. Das zahlt sich anscheinend aus – denn über 90% der finnischen Schüler macht Abitur. In Malaysia müssen die Schüler besonders früh aufstehen, der Unterricht beginnt hier schon um 5:30 Uhr. In China steht vor dem Beginn des Unterrichts erst mal eine Versammlung an, bei der die ganze Schule die Nationalhymne singt. Es folgen noch zehn Minuten Gymnastik, um in Schwung zu kommen. Der Unterricht endet um 16:30. Für talentiertere Schüler geht es jedoch mit Förderunterricht bis 21 Uhr weiter. Danach werden noch Hausaufgaben erledigt. Der Fokus liegt also darauf, möglichst viel Wissen zu vermitteln. Der Leistungsdruck ist dementsprechend hoch. In den USA ist interessant, dass die Klassen zu Beginn jedes neuen Schuljahres neu zusammengestellt werden. Dadurch soll Cliquenbildung verhindert und die Zusammenstellung ähnlich begabter Schüler ermöglicht werden. In den höheren Jahrgängen gibt es, – wie in Deutschland auch, – dann keine Klassen mehr.
Aber bevor es mit dem Unterricht losgeht, muss natürlich zunächst der Schulweg bewältigt werden. Dies kann eine größere Herausforderung sein. In Deutschland gehen Kinder zu Fuß, fahren Rad, Bus oder werden von ihren Eltern zur Schule gebracht. In manchen anderen Ländern ist es deutlich schwerer die Schule zu erreichen, da die Infrastruktur weniger gut ausgebaut ist. So gehen beispielsweise in Äthiopien manche Kinder erst mal drei Stunden zur Schule, bevor sie am Unterricht teilnehmen können. Einige Kinder sind unterwegs Gefahren wie wilden Tieren oder schwer passierbaren Flüssen ausgesetzt. In einigen Gebieten Kenias müssen sie auf dem Schulweg an Elefantenherden vorbei und können hierbei schnell in gefährliche Situationen geraten.
Sicher in der Schule angekommen, variiert auch die Größe der Klassen. So berichtet beispielsweise ein Mädchen aus Ecuador, dass in ihrer Klasse insgesamt nur vier Schüler sind, weshalb alle 25 Schüler der Schule in einem Raum unterrichtet werden. Da hingegen sieht es in einer Schule in Äthiopien ähnlich aus wie in Deutschland: Ein Lehrer kümmert sich um etwa 30 Schüler. Natürlich hängt die Klassengröße nicht alleine vom Land ab, sondern vor allem von der Region, in der die Schule sich befindet und der Anzahl der dort lebenden Kinder.
In Sachen technischer Ausstattung hat eine Schule in Los Angeles auf sogenannte iPad-Klassen gesetzt. Doch die Kinder haben die Sicherheitssperre schnell überwunden und konnten somit alle beliebigen Seiten aufrufen. Das ist natürlich nicht Sinn der Sache, da statt zu lernen nun im Internet gesurft wurde und Spiele gespielt wurden. In den Niederlanden sollen ebenfalls solche Klassen eingeführt werden – mit komplettem Verzicht auf Bücher. Ob das die beste Lösung ist, bleibt abzuwarten. In Deutschland gibt es bisher vor allem Pilotklassen, die den Einsatz von Tablets im Unterricht ausprobieren.
Dies sind nur ein paar wenige Beispiele, an denen sich Unterschiede der Schulsysteme bemerkbar machen.
Die Umstände des Lernens sind also kulturell sehr unterschiedlich. Der Zugang zur Bildung ist nicht überall selbstverständlich, genauso wenig wie ein sicherer Schulweg oder kostenloser Unterricht. Auch die Ausstattung an Schulen variiert und hat teilweise Einfluss auf die Qualität des Lernens.
*Ausschließlich zum Zwecke der besseren Lesbarkeit wurde im gesamten Text auf unterschiedliche, geschlechtsspezifische Schreibweisen verzichtet. die gewählte männliche Form ist in diesem Sinne geschlechtsneutral zu verstehen.