Mit der Lizenz zur Kompetenz?
007 meldet sich zum Dienst – zum nun 23. Mal kann James Bond auf den Kinoleinwänden der Welt bewundert werden. In Skyfall jagt unser Lieblingsagent des MI6 den Bösewicht Raúl Silva, erlebt dabei persönliche Höhen und Tiefen, um schließlich doch zu siegen und wie immer als gefeierter Held zu enden.
Ohne Zweifel handelt es sich bei der Figur des James Bonds um ein All-Round-Talent in jeglicher Hinsicht. Er ist schnell, wendig, stark, kann Motorräder fahren, Helikopter fliegen und seinem Charme verfallen die schönsten Frauen. Doch wie verhält es sich mit seinen interkulturellen Kompetenzen? Dieser Frage werden wir in diesem Artikel nachgehen und anhand einiger Szenen von 007s neustem Abenteuer untersuchen.
Der erste Film der Action-Serie, James Bond jagt Dr. No, von 1962 gibt Aufschluss über die Herkunft und Jugend des Protagonisten. Bond wurde 1920 in Wattenscheid, Deutschland, als Sohn eines Schotten und einer Franco-Schweizerin geboren. Bis ins jugendliche Alter lebt er in verschiedenen Ländern, u.a. in England, Österreich, Deutschland und der Schweiz. Die Herkunft seiner Eltern und sein immer wechselndes multi-kulturelles Umfeld führten zu einer mehrsprachigen Entwicklung des jungen Mannes. Nachdem er von zwei Schulen geflogen war, tritt er mit 17 Jahren der Marine bei. Während seiner Zeit dort geht er seiner Leidenschaft für Fremdsprachen mit einem Sprachen-Studium intensiv nach, mit dem Resultat, dass 007, wie wir ihn kennen, fließend Deutsch, Englisch, Französisch, Japanisch und Russisch spricht und darüber hinaus über Grundkenntnisse in Spanisch, Dänisch, Afghanisch und Arabisch verfügt. Diese enormen Fremdsprachenkenntnisse, seine Herkunft und der intensive Kontakt zu verschiedenen Kulturen während seiner Jugend bilden bereits die Voraussetzung für eine interkulturelle Sensibilisierung Bonds.
Und tatsächlich lassen verschiedene Eigenschaften, die wir in 60 Jahren Bond-Unterhaltung an unserem Action-Star kennen, bewundern und lieben lernten, darauf schließen, dass er die Voraussetzungen genutzt und interkulturelle Kompetenzen entwickelt hat. Seine weltgewandte, selbstsichere und flexible Art ist für seinen Beruf höchst förderlich und hilft ihm, auch schwierige Situationen zu meistern. Wenn man in verschiedenen Filmen der Agenten-Serie einmal genau darauf achtet, bemerkt man schnell, dass es in Situationen der interkulturellen Konfrontation so gut wie niemals zu einer Konfliktsituation aufgrund unterschiedlicher kultureller Gegebenheiten und Denkmuster kommt. In Skyfall wird bereits zu Beginn des Filmes eine solche Szene beschrieben. Während des Kampfes auf dem Dach eines Zuges wird Bond versehentlich von einer Kollegin, die aus großer Entfernung versucht, seinen Gegner zu treffen, angeschossen und fällt von einer Brücke in den tief darunter gelegenen Fluss. Vom MI6 wird er für tot erklärt, doch er überlebt durch die Hilfe und Zuneigung einer Einheimischen. Bond bleibt in dem kleinen türkischen Dorf und genießt seinen Tod, wie er es selbst später bezeichnet, fernab von London und seinem Leben als Agent. Die besagte Szene zeigt ihn an der Theke der Bar des Dorfes, umgeben von Türken, die ihn allesamt anfeuern. In der Hand hält der Agent ein Glas mit Schnaps und auf der Hand sitzt ein daumengroßer Skorpion. James zögert, lässt sich weiter anfeuern und trinkt schließlich. Blitzschnell ist die Bewegung, in der er das Glas ansetzt, trinkt und es andersherum und über dem bedrohlichen Tier wieder abstellt, um es einzusperren und so außer Gefecht zu setzen. Jubelrufe sind die Antwort auf das geglückte Manöver. Es scheint sich dabei um eine türkische Tradition zu handeln oder zumindest um einen im Dorf üblichen Brauch. Es wäre denkbar, dass es eine Art Test ist für Neuankömmlinge, die sich auf diese Weise behaupten und sich so Respekt unter den Männern der Gemeinde verschaffen. Als Bond währenddessen kurz zögert, verstummt die Menge abrupt. Diese Reaktion vermittelt den Eindruck, dass es sich keinesfalls um ein lustiges Spiel handelt. Bond weiß ob der Bedeutung dieses Brauches und passt sich an. Die Szene zeigt, dass er fähig ist, die Wichtigkeit einer Situation wie dieser zu erkennen und interkulturell kompetent zu handeln. So vermeidet er einen Konflikt mit den Einheimischen, die es sicher nicht akzeptiert hättem, wenn ihr Gast sich dem Brauch verweigert hätte.
Gepaart mit Szenen aus anderen Bond-Filmen, die zu analysieren den Rahmen dieses Artikels sprengen würden, kann also festgehalten werden, dass der Titelheld mit all seinen Fähigkeiten und Eigenschaften auch über interkulturelle Kompetenzen verfügt. Das uns vermittelte weltoffene und anpassungsfähige Bild von ihm wird jedoch teilweise abgeschwächt durch die Art und Weise, wie die verschiedenen Regionen und Kulturkreise als Schauplätze der Geschichte dargestellt werden. Für die Veranschaulichung dieses Gedankens eignet sich eine andere Szene vom Anfang des Filmes. Bevor es zum Kampf auf dem Dach des Zuges kommt, jagt Bond seinen Gegner zunächst mit dem Auto, dann mit einem Motorrad durch die Straßen Istanbuls. So wie in Der Spion der mich liebte von 1977 die Bilder Ägypten als ein exotisches Land wie aus Tausendundeiner Nacht darstellen mit der Betonung auf Pyramiden, Wüste und Kamelen, zeigt die Anfangsszene des neuen Bonds Bilder, die jeder auf Anhieb mit der Türkei verbindet. Die Verfolgungsjagt zieht sich durch enge Gassen gesäumt von Menschen zwischen Obst- und Gemüseständen, über die Dächer des Großen Basares mit Blick auf die majestätische Neue Moschee und schließlich auch durch den Großen Basar hindurch. Innerhalb kürzester Zeit wird ein Bild von der Türkei gezeichnet, das allgemein aus Reiseführern bekannt ist. Insofern handelt es sich hier nicht um die realistische Darstellung eines fremden Landes und einer fremden Kultur. Vielmehr werden dem Zuschauer ihm bereits bekannte Schauplätze und Gebäude präsentiert und so das Denken in Vorurteilen und Stereotypen angeregt. So geschieht es in der Mehrzahl der Filme und die weltoffene Persönlichkeit Bonds wird wieder in Frage gestellt. Auch die Tatsache, dass er sich immerzu westlich kleidet, die teuersten Autos fährt, in den luxuriösesten Hotels nächtigt und diniert spricht nicht gerade für bedingungslose Anpassung. Doch im Widerspruch dazu steht in Skyfall, dass Bond über einen längeren Zeitraum, während er genest, im Dorf in einer Hütte und ohne jeglichen Luxus lebt und es, so scheint es, sogar genießt.
Betrachtet man nun alle Faktoren, lässt sich zusammenfassen, dass James Bond sich offen und anpassungsfähig in interkulturellen Begegnungen verhält. Er verfügt über ein großes sprachliches und kulturelles Wissen und umgeht dadurch geschickt mögliche Missverständnisse und Konflikte. Zwar gelingt eine angemessene Darstellung fremdländischer Schauplätze nur vereinzelt, doch dies betrifft eher die allgemeine Wirkung der Bond-Serien auf die Öffentlichkeit, als die Person des James Bond selber. Es bleibt festzuhalten: James ist interkulturell kompetent und kann dem Publikum der ganzen Welt ein Vorbild sein. Und was seinen luxuriösen Lebensstil betrifft – auch wenn dieser nicht mit seiner sonst so anpassungsfähigen, weltoffenen und bescheidenen Art übereinzustimmen vermag, Bond wäre nun einmal nicht Bond ohne Geld, schicke Autos und schöne Frauen.
Autorin: Janna Pressentin
Ein informativer und sprachlich ansprechender Artikel, der mir sehr gut gefällt.